Intuition – Bauchgefühl – Intelligenz des Unbewussten

Dezember|05|2021

Die „Intelligenz des Unbewussten“ steuert und beeinflusst unser tägliches Leben – weit mehr als das rationale Denken.

Intuition ist durch rationale Forschung erklärbar und sogar verbesserbar. Sie ist schnelles, unmittelbares Wissen. Im Gegensatz dazu steht das logische Denken, das meist anstrengend, aufwändig und langsam ist.

Wir besitzen offenbar zwei weitgehend voneinander unabhängig operierende Systeme des Wahrnehmens und Denkens, die in unserem Kopf auch unterschiedlich repräsentiert sind: Das „Chefsystem“ namens Bewusstsein operiert vor allem in der linken Gehirnhälfte. Es analysiert, schreibt, spricht, rechnet und versteht die Umwelt mithilfe von Logik.

Die Arbeitsweise des linken Gehirns erschließt sich uns sofort, weil sie die bevorzugte Methode unseres Problemlösens ist, es ist der Modus Operandi des aufmerksamen, konzentrierten Denkens.

Die Arbeitsweise der rechten Gehirnhälfte ist weniger leicht zu beschreiben. Sie wirkt eher „im Hintergrund“ und funktioniert komplex, integrativ, ganzheitlich, gefühlsbezogen und assoziativ. Anders ausgedrückt: Sie ist intuitiv. In den Tiefgeschossen des Unterbewusstseins sind Unmengen von Sinneseindrücken, Erinnerungen und Empfindungen gespeichert, ohne dass wir in jedem Fall ihren „Eingang“ bestätigt oder die „Ablage“ registriert hätten.
Das Fassungsvermögen unseres Bewusstseins ist verhältnismäßig gering. Es kann nur sieben Informationen gleichzeitig aufnehmen, unterscheidet maximal 40 Ereignisse pro Sekunde – jeder Computer verarbeitet die millionenfache Informationsmenge. Um es nicht zu überfordern, untersucht unser Unterbewusstsein schrittweise die tägliche Flut der Eindrücke. Wie das funktioniert, belegen neue wissenschaftliche Studien:

1. Schritt: Das Unterbewusstsein sortiert die Informationen.

Alle optischen Reize, Geräusche, Gerüche und Tastempfindungen werden im „Thalamus“, dem Kernkomplex unseres Unterbewusstseins, registriert, ausgewertet, beurteilt und dann – je nach Bedarf – in die hundert Milliarden Nervenzellen unseres Gehirns weitergegeben. „Ohne diese Vorarbeit würden unsere Eindrücke im Leerlauf verpuffen“, sagt der Harvard-Psychologe Stephen Kosslyn. „Denn unser Unterbewusstsein ist viel leistungsfähiger als unser Verstand. Es entscheidet aufgrund von Gefühlen und Erfahrungen, welche Eindrücke für uns lebens- bzw. überlebenswichtig sind. Es ist das Immunsystem unserer Seele.“

2. Schritt: Die nutzbaren Eindrücke werden vom Unterbewusstsein an unser Gedächtnis weitergegeben.

Sie werden in verschiedenen „Erinnerungsschubladen“ innerhalb des „Mandelkerns“ der Großhirnrinde abgespeichert.

3. Schritt: Das Unterbewusstsein täuscht unser Gedächtnis.

Um uns vor zermürbenden Erinnerungen zu bewahren, verwandelt es unangenehme Eindrücke in angenehme. Diese Entdeckung machte der Psychologe John Kotre von der Universität Michigan: „Unser Gedächtnis funktioniert nicht wie ein Videorekorder, der das Gesehene abspeichert. Es schreibt vielmehr das Drehbuch unseres Lebens ständig um.“ Die Gründe sind ganz praktischer Natur. Biologen bestätigen, dass eine Mutter nach der Geburt ihres ersten Kindes kein weiteres mehr bekommen würde. Nur weil sie die fast unerträglichen Schmerzen nach kurzer Zeit „vergisst“, ist sie zu einer zweiten Schwangerschaft bereit.

4. Schritt: Der Einwirkung des Unterbewusstseins auf unseren Körper

Über die Hälfte unserer Bewegungen werden vom Unterbewusstsein gesteuert. Beim Treppensteigen oder Autofahren, selbst beim Klavierspiel werden die Muskeln unbewusst aufeinander abgestimmt. (entnommen TV Hören und Sehen, Mai 1999, S. 10, 11).

Dieses Unterbewusste funktioniert jedoch anders als das Freudsche Unbewusste, das eher einer Rumpelkammer von verdrängten Affekten, Schuldgefühlen und Komplexen gleicht, dass wir lieber dort „unten“ lassen. Die Macht der Intuition ließe sich auch so beschreiben:

Das, was ich weiß, von dem ich aber nicht weiß, dass ich es weiß, beeinflusst mich mehr, als ich weiß.

Die Intuition bedient sich der Summe unserer Erfahrungen – weshalb wir zu besonders guten intuitiven Lösungen auf solchen Gebieten kommen, in denen wir Experten sind. Wenn wir intuitiv denken und handeln, brauchen wir oft nur eine sehr geringe Menge von Fakten oder Informationen, um zu einem Urteil zu gelangen oder eine Entscheidung zu treffen. Deshalb reagieren wir oft instinktiv und so erstaunlich schnell, wenn es beispielsweise darum geht, andere Menschen einzuordnen oder zu beurteilen.

Unsere Persönlichkeit ist die Summe unserer Erfahrungen, Intuitionen und Instinkte, die in fest etablierten neuronalen Schaltkreisen wirken. Unsere Intuitionen sind zudem in hohem Maße stimmungsabhängig: Wenn wir gut drauf sind, ziehen wir unbewusst anderes Erinnerungsmaterial als Entscheidungsgrundlage heran, als wenn wir schlechte Laune oder Kummer haben. Auch unsere Erwartungen und Annahmen färben die Intuition.

Intuition hat ein Doppelgesicht. Sie ist eine unerschöpfliche Quelle der Erkenntnis, die in ihrem Wert häufig noch unterschätzt wird und bis jetzt entsprechend unterentwickelt und untrainiert ist. Andererseits ist diese Quelle oft kontaminiert: Stimmungen, Vorurteile und äußere Einflüsse verfälschen die Intuitionen und mindern ihren Nutzen. Den optimalen Gebrauch unserer intuitiven Fähigkeiten machen wir deshalb, wenn wir immer wieder die Synthese aus rationaler Überlegung und dem „Bauchgefühl“ versuchen.

Die verschiedenen Schulen der Psychologie bieten unterschiedliche Modelle zur Erklärung des Unterbewussten. Im NLP wird der Begriff situativ verwendet.

Zum Unterbewussten gehören alle Informationen, auf die das Bewusstsein des Menschen jetzt im Moment keinen direkten Zugriff hat. Es gibt im Menschen viele Prozesse, die unbemerkt ablaufen, weil andere Reize unsere bewusste Aufmerksamkeit beanspruchen. Das gewöhnliche Bewusstsein hat eine sehr begrenzte Fassungskapazität. In jedem Moment strömen überwältigend viele Informationen auf uns ein. Nur wenige gelangen in den Fokus unserer bewussten Aufmerksamkeit. Die meisten Reize werden getilgt, bevor sie das Bewusstsein erreichen, und von unbewussten Instanzen verarbeitet. Die überwältigende Mehrheit unserer physiologischen, emotionalen und kognitiven Prozesse läuft unbewusst ab. Es gibt Teile, die nur jetzt im Moment nicht bewusst sind, wie zum Beispiel der eigene Atem, und andererseits auch Teile, die bisher noch nie bewusst waren, wie zum Beispiel das Wissen um bestimmte tiefenpsychologische Prozesse.

Die unbewussten Teile der ersten Art können jederzeit wieder ins Bewusstsein gelangen. Sie gehören zu dem Bereich des menschlichen Systems, für den das Bewusstsein eine Zugriffberechtigung hat. Die unbewussten Teile der zweiten Art können noch nicht bewusstwerden, weil der Mensch dafür noch nicht die nötigen Voraussetzungen geschaffen hat.

Das Unbewusste ist kreativ, hat eine positive Absicht und ist intelligent, es findet Wege zur Durchsetzung seiner Absichten.

Wenn ein Mensch zum Beispiel zur Erhaltung seiner Gesundheit eine Ruhepause benötigt und er dies nicht wahrhaben möchte, sorgt das Unbewusste für eine zwangsverordnete Pause, indem es den Menschen körperlich krank werden lässt. Dabei sind die unbewussten Kräfte meist mächtiger als das Bewusstsein. Im Falle einer Phobie oder einer Allergie produziert das Unbewusste unerwünschtes Verhalten oder körperliche Symptome, und das Bewusstsein kann nicht regulierend eingreifen, selbst wenn der Mensch sich noch so sehr bemüht.

Eine wichtige Annahme ist die selbstheilende Eigendynamik des Unbewussten. Damit ist gemeint, dass in jedem Menschen selbsttätig unbewusste Kräfte wirken, die für Integrität, Heilung und Selbstverwirklichung sorgen. Sofern eine gewünschte Veränderung ökologisch ist, wird sie durch die Dynamik der eigenen unbewussten Kräfte auf natürliche Weise realisiert werden.

(Teilweise zitiert aus Psychologie heute März 2003, Aufsatz von Heiko Ernst, Intuition, Können wir unserem Bauchgefühl vertrauen? S. 20 ff. und aus NLP in Stichworten von Thomas Rückerl, Junfermann Verlag Paderborn 1994, S. 222 ff.)